Die Changetagung 2014

Organisation und Intimität

Was haben Organisationen mit Intimität zu tun? Wenn man auf Zweckorientierung, Arbeitsteilung und bürokratische Formalisierung schaut, nichts. Schaut man stattdessen auf die schöne neue Arbeitswelt postindustrieller Unternehmen, dann sehr viel. In der kreativen und stets innovationsbereiten Dienstleistungsarbeit der Wissensgesellschaft können sich die Menschen ganz hingeben und selbst verwirklichen. Die Subjektivierung der Arbeit bedeutet die Wiedereinführung der konkreten Person in die Organisation und scheinbar werden Freiheiten in überraschendem Masse geboten:

  • Die neuen Informations- und Kommunikations-Technologien lassen die Grenzen zwischen dienstlich und privat verschwinden, da man immer und überall erreichbar ist.
  • Hingabe und Intimität werden mehr denn je angefragt, da wir leidenschaftlich arbeiten, emotional intelligent, intuitiv und authentisch sein sollen. 
  • Wer glücklich und stark ist, hat im Unternehmen weniger Stress, eine stärkere individuelle Leistungsbereitschaft, kommuniziert besser und generiert mehr Wissen.

Unser Fokus:

Im Jahre 2000 erschien von Luhmann das Buch «Organisation und Entscheidung“. Es ist das kleine Wörtchen «und“ das die zentrale Differenz ausmacht: Eine Organisation zu organisieren, ist etwas völlig anderes als eine freie Entscheidung zu treffen.

Dieselbe Ausschliesslichkeit verbirgt sich hinter dem Begriffspaar «Organisation und Intimität». Die Grunddifferenz ist die Unterscheidung von öffentlich und privat. In Familie, Verwandtschaft und der Gemeinschaft von Befreundeten befindet man sich jenseits der Dominanz ökonomischer Kalküle. Liebe oder Freundschaft gelten als Inbegriff des Intimen und Intimes gehört nicht an die Öffentlichkeit.

Demgegenüber muss die Strukturbildung der Organisation primär sachlichen Aufgaben und Zielen gerecht werden. Formalisierte, asymmetrische Machtstrukturen und die prinzipielle Austauschbarkeit der Funktionsträger sind hierbei die Bedingung der Möglichkeit.

Fragestellung und Nutzen

  • Wie nah darf die Organisation den Menschen und müssen die Menschen einander kommen – bzw. wie viel «leichte Ungnade» können sich Mitarbeitende noch leisten?
  • Wie viel Emotionalität ist für ein optimales Funktionieren innerhalb der Organisation wünschenswert; wie passt das zu den sozialen Grundbedürfnissen der Mitarbeitenden und wo beginnt die Ausbeutung der Intimität durch die Organisation? 
  • Wie gelingt es in der Arbeitswelt zu anderen eine vertrauensvolle und tragfähige Beziehung aufzubauen und welche Rolle spielen hierbei Gruppen und Teams?
  • Ist es die Aufgabe von Führung und Beratung, mehr individuelle Grenzen einzureissen, oder ist es ihre Aufgabe, die Individuen in ihrer Abgegrenztheit zu respektieren und zu unterstützen?
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